Kapitel 1
Alle Menschen, deren Ziel es ist, sich von den anderen Lebewesen zu unterscheiden, sollten sich mit aller Kraft darum bemühen, ihr Leben nicht unbeachtet zu verbringen wie die Tiere, deren natürliche Bestimmung es ist, den Kopf gesenkt zu halten und die körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Das, was den Menschen auszeichnet, beruht auf der Verbindung des Geistigen und Körperlichen: der Geist führt zur Herrschaft, der Körper mehr zur Unterwerfung; der Geist verbindet den Menschen mit den Göttern, der Körper mit den Tieren. Deshalb erscheint es mir, zumal im Hinblick auf die Kürze unseres Lebens, sinnvoller, sich mit den geistigen, nicht mit den körperlichen Kräften Anerkennung für eine möglichst lange Zeit zu erwerben. Denn Reichtum und äußere Schönheit sind vergängliche Werte, schöpferische Leistung hingegen bedeutet etwas und ist von Dauer. Lange Zeit war es umstritten, ob kriegerische Erfolge mehr den körperlichen oder den geistigen Fähigkeiten zuzuschreiben sind; denn am Anfang jedes militärischen Unternehmens soll ein Plan stehen; ist der Plan jedoch gefaßt, soll er auch entschlossen in die Tat umgesetzt werden. Beide Faktoren müssen sich ergänzen, da sie für sich allein genommen, unzulänglich sind.
Kapitel 2
So pflegten am Anfang die Könige - dies war allgemein die Bezeichnung für die Träger der Macht - entweder den Geist oder den Körper; auch kannten die Menschen damals nochkeine besonderen Bedürfnisse. jeder war mit dem, was er hatte, vollauf zufrieden. Nachdem aber in Asien Kyros, in Griechenland die Spartaner und Athener angefangen hatten, Städte und Völker zu unterwerfen, Machtstreben als legitime Kriegsursache anzuerkennen und die Größe des Ruhmes mit der Größe der Macht gleichzusetzen, da merkte man endlich unter dem Druck der Ereignisse und dem Zwang zum Handeln, daß man mit den geistigen Fähigkeiten im Krieg am weitesten kommt. Wenn nun die geistigen Fähigkeiten der Könige und Führer im Frieden genau so zum Tragen kämen wie im Kriege, dann würde die Geschichte der Menschheit gleichmäßiger und beständiger verlaufen, und man müßte nicht zusehen, wie die Dinge jeweils ins Extrem getrieben werden und wie sich alles verändert und durcheinander gerät. Denn Macht kann leicht mit den Mitteln erhalten werden, mit denen sie anfangs geschaffen wurde. Wenn aber an die Stelle von Leistungswille Arbeitsunlust, an Stelle von kritischer Distanz zu sich und derUmwelt Unkontrolliertheit und Überheblichkeit treten, dann verändern sich mit den sittlichen Maßstäben die gesamten Lebensverhältnisse. So geht Macht immer von dem weniger Tüchtigen auf den Tüchtigsten über. Alles, was Menschen auf dem Gebiet der Landwirtschaft, der Seefahrt und der Baukunst geschaffen haben, verdanken sie ihrem Leistungswillen. Doch viele Menschen, die nur an Essen und Schlafen denken, leben ungebildet und ohne sittliche Bindung in den Tag hinein, wie Leute, die nicht selbst zu sich finden. Ihnen dient in der Tat gegen den Willen der Natur der Körper zum Befriedigen ihrer Lust, den Geist betrachten sie als Last. Ihr Leben hat für mich den gleichen Wert wie der Tod, da über beide kein Wort verloren wird. Nur derjenige lebt meiner Meinung nach wirklich und kostet sein Leben aus, der sich für eine Aufgabe einsetzt, um sich durch seinen Erfolg und seine Leistungen einen Namen zu machen.
Kapitel 3
Da es zahlreiche Arten von Leistungen gibt, hat jeder die Möglichkeit, die seiner Veranlagung entsprechende zu finden. Es ist eine lohnende Aufgabe, in der Politik tätig zu sein, es hat auch seine Berechtigung, die Kunst des Wortes zu beherrschen; man kann im Frieden oder im Krieg berühmt werden. Wer selbst etwas geleistet hat oder die Leistungen anderer beschrieben hat, findet weitgehend Anerkennung. Und, obwohl der Schriftsteller nie so berühmt wird wie derjenige, dessen Erfolge er beschreibt, erscheint es mir doch äußerst schwierig, historische
Ereignisse darzustellen: Zunächst müssen erfolgreiche Taten durch das Wortkunstwerk überzeugend berichtet werden; weiter werden kritische Bemerkungen meist als Zeichen von Böswilligkeit und Neid angesehen; äußert man sich anerkennend zu Tätigkeit und Erfolg tüchtiger Politiker, dann hält der Leser das für selbstverständlich, was er sich selbst auch zutrauen würde, alles andere für maßlos übertrieben. Als junger Mann widmete ich mich zunächst wie die meisten meiner Altersgenossen der Politik, die mir aber bald verleidet wurde. Denn an Stelle
von Taktgefühl, Zurückhaltung und Leistung herrschten Frechheit, Bestechlichkeit und Habsucht. Zwar lehnte ich diese Mißstände ab, weil sie meinem Wesen fremd waren; dennoch konnte ich mich, da ich sittlich und geistig noch keinen festen Standpunkt bezogen hatte und der Ehrgeiz mich antrieb, nicht von diesen Einflüssen freimachen. Obwohl ich mich von dem üblen Verhalten der anderen distanzierte, hatte ich doch unter böswilliger Nachrede und Mißgunst zu leiden wie sie, einfach weil ich mich aus Ehrgeiz politisch betätigte.
Kapitel 4
Als ich mich von zahlreichen Fehlschlägen und Gefahren erholt hatte und mein Entschluß feststand, mich von der Politik zurückzuziehen, da dachte ich jedoch keineswegs daran, in beschaulichem Nichtstun die wertvolle Zeit zu vergeuden oder wie ein Sklave mich mit Landwirtschaft oder Jagd , beschäftigen. Ich wandte mich vielmehr der früher einmal begonnenen Tätigkeit wieder zu, von der mich der falsche Ehrgeiz abgebracht hatte. Und so nahm ich mir vor, die wichtigsten Epochen der römischen Geschichte darzustellen; dazu glaubte ich mich durchaus befähigt, da ich frei war von Hoffnung, Bedrohung und parteipolitischen Ambitionen. So will ich die Rebellion eines Catilina gegen den Staat möglichst objektiv und knapp darstellen. Denn dieses Ereignis scheint mir besonders bezeichnend für die völlig neue Art, dem Staat in verbrecherischer Weise zu schaden und ihn zu gefährden. Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, müssen erst einige Charakterzüge dieses Menschen herausgestellt werden.
Kapitel 5
Lucius Catilina, der von edler Herkunft war, war von großer Kraft des Körpers und des Geistes, aber er hatte einen schlechten Charakter. Bürgerkrieg, Raub, Mord und Volksuneinigkeit gefielen ihm und er übte sich darin in seiner Jugend. Sein Körper war unempfindlich gegen Hunger, Kälte und Schlafentzug als man glauben wollte. Sein Geist war kühn, heimtückisch und unberechenbar, weswegen er Tatsachen vorgeben und verheimlichen konnte, wie es ihm beliebte; er verfügte über anderer Leute Sachen, verschwendete den eigenen Besitz und brannte darauf seine Wünsche durchzusetzen; er war von großer Überredungskunst und von kleiner Einsicht. Sein maßloses Gemüt wünschte sich immer die grenzenlosesten und unglaublichsten Sachen.Während der Herrschaft von Lucius Sulla wünschte er sich mit großer Begierde den Staat einzunehmen, und ihm war es gleich, auf welche Art er das erreichen würde, was nötig war, um seine Herrschaft vorzubereiten, welche er für sich haben begehrte. So wurde sein wildes Gemüt durch das Fehlen von familiären Dingen und durch sein verbrecherisches Bewußtsein von Tag zu Tag mehr und mehr bedrängt, was er durch eben dargestelltes noch steigerte. Ein weiterer Antrieb waren außerdem die verdorbenen Sitten des Staates, welche durch die zwei schlimmsten, sich untereinander widersprechenden Übel, Habsucht und Verschwendung, verwüstet wurden.
Der Stoff selbst scheint dazu aufzufordern weiter zurückzugreifen und mit wenigen Worten die Einrichtungen der Vorfahren in Krieg und Frieden und wie sie öffentliche Angelegenheiten behandelt haben, wie sie ihn hinterlassen haben, um sich später allmählich zu ändern und aus dem schönsten und besten zum schlechtesten und schändlichsten gemacht worden ist, zu erörtern.
Kapitel 6
Sowie ich das verstehe, gründeten die Trojaner, die als Flüchtlinge unter der Führung Aenas ohne festen Wohnsitz umherzogen, am Anfang die Stadt Rom und wohnten in ihr, und das obwohl die Ureinwohner aus rohen Menschen bestanden, die ohne Gesetz, ohne staatliche Lenkung, frei und ohne Bindung lebten.Nachdem diese in einer Festung zusammengekommen waren, ist es unglaublich, wie leicht sie trotz ungleicher Herkunft, verschiedener Sprachen, anderen Lebensgewohnheiten zusammenwuchsen: In Kürze war aus einer zerstreuten und umherschweifenden Menge eine Eintracht unter Bürgern geschaffen worden. Aber sobald gesehen wurde, daß die Macht der Bürger, die Sitten und das Wachstum der Äcker mehr günstig und wurde, entstand, wie es meisten bei den Menschen zugeht, Neid aus dem Wohlstand. Also versuchten die benachbarten Völker und Könige aus Neid den Krieg zu provozieren, wobei wenige der Freunde (des Systems) von Hilfe waren; denn die blieben aus Furcht vor der Gefahr fort.Von den Römern wurden rasch Zivilisten und Soldaten aufgestellt, damit der eine den anderen anfeuere, den Feind entgegenzugehen, um die Freiheit, das Vaterland und die Eltern mit Waffen zu verteidigen. Nachdem diese Gefahr tapfer vertrieben worden war, brachten sie den Bundesgenossen und Freunden Hilfe und sie bereiteten sich neue Freunde mehr durch geben, als durch empfangen von Dienstleistungen. Sie hatten eine gesetzmäßige Regierung, der Name für diese war der Königstitel. Ausgewählte Männer, deren Körper durch die Jahre schwach, deren Geist an Weisheit stark war, standen dem Gemeinwesen beratend bei; diese wurden wegen ihres Alters oder wegen ihrer Fürsorge Väter genannt. Danach, als die Königsherrschaft, die anfangs gedient hatte, die Freiheit zu erhalten und den Staat zu mehren, in Übermut und Gewaltherrschaft umschlug, änderte sie die Weise und chufen sich eine jährlich wechselnde Regierung und zwei Machthaber: Auf diese Art glaubten sie könnte der menschliche Geist am wenigsten in Schrankenlosigkeit verfallen.
Kapitel 7
So begann sich zu dieser Zeit jeder mehr durch Leistung hervorzuheben und seine Begabungen mehr zu Ausdruck zu bringen. Denn den Königen sind die Guten verdächtiger als die Schlechten und für sie ist eine Tugend bei anderen immer beängstigend. Aber es ist kaum zu glauben, wie schnell der Staat durch seine erlangte Freiheit wuchs: So eine große Begierde nach Ruhm war aufgekommen. Zunächst einmal lernten die jungen Männer, sobald sie wehrfähig waren, in Lagern die Arbeit und die Praxis des Militärs, so daß sie mehre an glänzenden Waffen und Kriegspferden ihre Freude hatten, als an Dirnen und Gelagen. Deshalb waren sie als Männer so geschaffen, daß ihnen die Arbeit nicht ungewohnt war, ihnen kein Ort zu rauh oder zu steil war und sie den bewaffneten Feind nicht fürchteten: Ihre Kraft hatte das alles bezwungen. Aber die große Begierde nach Ruhm gelangte zwischen sie selbst: Jeder war eifrig den Feind niederzustrecken, die Mauer zu erklimmen und gesehen zu werden, wenn er so etwas getan hatte. Das hielten sie für Reichtum, das für großen Ruf und großen Adel. Nach Lob gierig, waren sie großzügig mit Geld; sie wollten ungeheuren Ruhm und Reichtum mit Ehren. Ich besitze Erinnerungen, wie das römische Volk mit einer kleinen Schar eine große Truppe des Feindes besiegt hat und wie es natürlich befestigte Städte einnahm, aber diese Sachen würden uns weit von unserem eigentlichen Vorhaben abbringen.
Kapitel 8
Aber in der Tat werden alle Sachen vom Schicksal beherrscht; dieses verdunkelt oder erhellt die Sachen mehre nach Laune, als nach dem wahren Wert. Die Taten der Ahener, wie ich meine, waren sehr groß und großartig, aber weit geringer, als sie gerühmt werden. Aber weil dort begabte Autoren hervorgingen, werden die Taten dieser auf der ganzen Erden als die größten gefeiert. So sind diese, die die Taten vollbracht haben, von so großer Tüchtigkeit, wie dir hochberühmten Geister sie mit Worten hervorheben können. Aber das römische Volk besaß niemals eine Menge dieser Geister, da die Klügsten am meisten beschäftigt waren und niemand den Geist ohne den Körper trainierte; die Besten handeln lieber als zu reden und mögen es mehr, wenn ihre Taten von anderen gelobt werden, als daß sie die Taten anderer erzählen.
Kapitel 9
So wurden zu Hause und im Krieg die Sitten gepflegt; es war große Eintracht und sehr kleine Habsucht unter ihnen; das Recht und das Gute ernährte sich bei ihnen mehr durch die Natur als durch Gesetze.Streit, Uneinigkeit und Feindschaften übten sie bei den Feinden, die Bürger fochten untereinander nur um Manneswerte. Bei Dankfesten für die Götter waren sie großartig, zu Hause sparsam und Freunden treu. Durch diese Künste, Kühnheit im Krieg und, sobald Frieden eingetreten war, Rechtlichkeit, pflegten sie ihre eignen Sachen und die des Staates. Über diese Dinge habe ich als besten Beweis, daß man im Krieg öfter diese bestrafen mußten, die gegen den Befehl mit dem Kampf angefangen haben und die zu langsam aus der Schlacht, obwohl zurückgerufen, gewichen waren, als diese, die gewagt hatten de Fahne zu verlassen oder geschlagen vom Platz zu weichen; im echten Frieden betrieben sie ihr Imperium mehr durch Aufbauhilfen als durch Abschreckung und sie wollten ein erlittenes Unrecht lieber verzeihen, als verfolgen.
Kapitel 10
Aber sobald der Staat durch Arbeit und Gerechtigkeit gewachsen war, gewaltige Könige im Krieg bezwungen wurden waren, wilde Stämme und ungeheure Völker mit Kraft unterworfen wurden waren, Karthago, die Rivalin des römischen Reiches, von Grund auf zerstört wurden war, das ganze Meer und die ganze Erde offenstand, begann das Schicksal alles zu zersetzen und zu wüten: Die, die Arbeit, Gefahren und bedenkliche und rauhe Lagen leicht überwunden hatten, diesen wurden Reichtum und Muße, von anderen erwünscht, zu Last und zum Verhängnis. So wuchs zunächst Habgier und dann die Gier nach Herrschaft: Das war die Grundlage allen Übels. Denn der Neid untergrub die Treue, die Rechtschaffenheit und andere gute Künste; statt dessen lehrten sie Hochmut, Grausamkeit, die Götter zu verachten und alles käuflich zu haben. Diese Eigenschaften zwangen viele Menschen falsch zu werden, die einen Dinge verschlossen in sich zu behalten aber anderes auf der Zunge zu haben, Freund- und Feindschaften nicht nach der Sache, sondern nach dem Vorteil einzuschätzen, nur eine gute Miene anstatt auch gute Veranlagungen zu haben. Dies wuchs zunächst allmählich, wurde bisweilen gestraft; darauf ; als die Ansteckung wie eine Pest einbrach, änderte sich der Staat, die Herrschaft wurde aus der gerechtesten und besten zu einer grausamen und unerträglichen.
Kapitel 10
(etwas moderner)
Aber als der Staat durch seine Anstrengungen mächtiger geworden war und erfolgreiche Militäroperationen gegen mächtige Könige, Eingeborene und ganze Völker durchgeführt worden waren und sogar der größte Feind des römischen Reiches, Karthago, vernichtend geschlagen worden war, und ihnen die ganze Welt offenstand, wendete sich das Blatt. Die, die sonst jede Situation gemeistert hatten, denen wurde jetzt der Reichtum zum Verhängnis. Der Ursprung allen Übels war die gewachsten Gier nach Geld und Macht, denn dieses führte dazu, daß Hochmut, Grausamkeiten und Ketzerei zunahmen und die guten Eigenschaften (des Staates), wie Freundschaft und Gerechtigkeit verschwanden. Durch ihren Ehrgeiz wurden viele Menschen verlogen; sie verschwiegen manches, anderes aber verrieten sie ohne Grund. Sie beurteilten Freund- und Feindschaften nicht nach dem wahren Wert, sondern nach dem mutmaßlichen Vorteil. Sie hatten zwar eine gute Erscheinung, aber keinen guten Charakter. Dieses nahm zunächst allmählich zu und wurde selten bestraft. Aber als die Motivation solch eine Tat zu tun wie die Pest um sich griff, änderte sich die Staatsform von einer sehr gerechten und guten in eine grausame und schreckliche.
Kapitel 11
Aber anfangs quälte der Ehrgeiz die Herzen der Menschen mehr als die Habsucht, ein Fehler, der dennoch ihren Manneswerten näher steht. Denn Ruhm, Ehre, Macht wünschte sich der Gute und der Untüchtige gleichermaßen; aber der Erste strebt dahin auf dem richtigen Weg, während dem anderen die guten Fähigkeiten fehlen; er kämpft deswegen mit List und Täuschungen. Die Habsucht schließt die Gier nach Geld in sich ein, wonach es dem Einsichtigen nie verlangt: Wie mit bösem Gift erfüllt macht sie Körper und Geist der Männer weich, ist immer grenzenlos und unersättlich und wird weder durch Menge noch durch Fülle gemindert. Aber nachdem Lucius
Sulla die Macht über den Staat bekommen hatte und nach guten Anfängen die Sache ein schlechtes Ende hatte, alle begannen zu plündern, fortzuraffen und der eine wünschte sich ein Haus, der andere Land, nie hatten die Sieger Benimm und Mäßigkeit und sie taten abscheuliche Dinge mit den (besiegten) Bürgern. Aber es kam noch dazu, daß Lucius Sulla das Heer, daß er in Asien geführt hatte, um es sich treu zu erhalten, gegen die Sitten der Vorfahren üppig und sehr frei gehalten hatte. Schöne und genußvolle Orte hatten leicht während ihrer Muße die Herzen der Soldaten erweicht: Dort gewöhnten sich das Heer des römischen Volkes zum ersten Mal daran zu lieben, zu saufen, Statuen, Gemälde und Metallgefäße mit Ornamenten zu bewundern, privat und öffentlich zu rauben, Tempel zu plündern und alles ob heilig oder weltlich zu beflecken. Also ließen diese Soldaten, nachdem sie den Sieg errungen hatten, den Besiegten nichts übrig. Denn Glück macht sogar die Herzen der Weisen müde: Geschweige denn, daß diese mit ihren verdorbenen Sitten sich im Sieg maßvoll benehmen.
Kapitel 12
Nachdem Reichtum das Kriterium für Ehre zu sein begann und ihm Ruhm, Herrschaft und Macht folgten, begann die Tugend zu erlahmen, Armut als Schande zu gelten und Redlichkeit als böswillige Herausforderung genommen zu werden. Also wurde die Jugend durch den Reichtum an den Luxus gewöhnt und von Habgier und Hochmut befallen: Sie raubten, verbrauchten, hielten das Eigene für gering, das Andere für wünschenswert, Anstand, Sittsamkeit, Göttliches und Menschliches ohne Unterschied war für sie belanglos und sie verloren den Sinn für Prioritäten und Normen. Es ist der Mühe wert, wenn du die Häuser und Villen kennst, die im Ausmaß von Städten erbaut sind, die Tempel der Götter, die unsere Vorfahren, die gläubigsten der Sterblichen, gebaut haben. Aber diese schmückten die Tempel der Götter mit Frömmigkeit, ihre Häuser mit Ruhm und sie raubten den Besiegten nichts, außer der Möglichkeit, Unrecht zu tun. Aber diese dagegen, kraftlose Menschen, nehmen in krimineller Weise alles von den Bundesgenossen, was starke Männer den Besiegten zurücklassen: Gleichsam als ob eine Herrschaft benutzen, letztlich heißt Unrecht zu tun.
Kapitel 13
Denn diese Überlieferung ist für niemanden, außer für die, die es gesehen haben, vorstellbar, daß nämlich Privatleute Berge abtragen und das Meer zugeschüttet haben. Aber ich habe gesehen, wie sie ihren Reichtum als Spielzeug gebrauchten; allerdings beeilten sie sich, das, was sich gehört in Ehre zu halten, auf das häßlichste zu verschleudern. Aber die Lust an Unzucht und Kneipen und all dem übertriebenen Wohlstand waren nicht weniger eingerissen; die Männer benahmen sich wie Frauen und die Ehefrauen baten sich schamlos an; um den Gaumen zu befriedigen wurde da Meer und das Land nach allem eßbaren durchsucht; sie schliefen, ehe sie es der Müdigkeit wegen mußten; sie warteten nicht Hunger oder Durst, weder Kälte noch Ermattung ab, sondern nahmen das alles in ihrer Schwelgerei vorweg. Das alles reizte die Jugend, wenn das väterliche Vermögen ausging, zu Schandtaten an. Ein Geist, der einmal von bösen Eigenschaften vergiftet war, konnte nicht leicht von seinen Süchten lassen; um so hemmungsloser war er dann auf jede Weise dem Erwerb und dem Aufwand hingegeben.
Kapitel 14
In einem so sehr verdorbenen Staat hatte Catilina das getan, was sehr leicht zu tun war, er hatte Scharen von Bösewichtern und Verbrechern als Gefolgsleute um sich geschart. Denn jeder sittlich Verdorbene, Ehebrecher und Schlemmer, der durch Würfelspiele, Fresserei und Huren die väterlichen Besitztümer vergeudet hatte, der große Schulden machte, um Schandtaten und Verbrechen mit Geld zu bereinigen, außerdem alle Mörder von Überall, Tempelschänder, überführte Verurteilte oder die, die fürchteten, verurteilt zu werden, diese waren für Catilina die nächsten Bekannten.Wenn nun jemand, der noch ohne Schuld war, in diesen Freundeskreis hineingeriet so wurde es durch den täglichen Umgang und die Versuchungen leicht von Catilina fertiggebracht daß er den Übrige ähnlich wurde.Aber am meisten adoptierte er junge Menschen in seinen Freundeskreis, da deren weiches Gemüt wegen ihres haltlosen Alters nicht eben schwierig mit List einzufangen war.Denn je nachdem wie einer seinem Alter entsprechendes Interesse hatte, gab er dem Einen Dirnen, dem Anderen kaufte er Hunde und Pferde, da er weder mit Aufwand noch mit seinem Ansehen sparte, machte er diese ihm hörig und treu.Ich weiß, es gab Einige, die so urteilten, daß die Jugendlichen, die Catilinas Haus regelmäßigbesuchten, sich recht scham- und zügellos benahmen; aber diese Dinge begründeten sich mehr auf anderen Sachen, als darauf, daß dies jemand genau erfahren hätte.
Kapitel 15
In frühester Jugend hatte Catilina viele schändliche Unzucht betrieben, mit einer edlen Jungfrau und einer Priesterin der Vesta, und anderes dieser Art gegen menschliches und göttliches Recht. Da wurde er von der Liebe gegenüber Aurelia Orestilla ergriffen, an welcher kein anständiger Mann etwas außer ihrer Schönheit loben konnte; da diese aus Furcht vor einem Stiefsohn im erwachsenem Alter am Heiraten zögerte, galt es als sicher, daß er den Sohn tötete um ein leeres Haus für seine verbrecherische Hochzeit zu haben. Gerade diese Sache scheint für mich ein Grund zu sein, die Rebellion zu beschleunigen. Denn ein schmutziger Geist, völlig verfeindet mit den Menschen, kann weder durch Wachen noch durch Schlafen beruhigt werden: So zerüttelt sein Schuldbewußtsein sein erregtes Gemüt. Also war seine Farbe bleich und seine Augen stechend, bald war sein Gang schnell, bald langsam: Man sah den Wahnsinn geradezu am Ausehen seines Gesichtes.
Kapitel 16
Aber die Jugend, die er, wie wir vorher gesagt haben, angelockt hatte, lehrte er auf vielerlei Weise schlechte Verhaltensweisen (Taten). Aus ihnen stellte er falsche Zeugen und Urkundenfälscher; Treue, Geld, Gefahren hieß er sie gering halten; danach, sobald er deren Ruf und Schamgefühl zerstört hatte, befahl er größere Dinge. Wenn ein Grund für ein Vergehen nicht so recht vorhanden war, brachte er mir nichts dir nichts Unschuldige wie Schuldige in Bedrängnis und um ihre Existenz: Damit nicht Hände und Geist durch Untätigkeit erlahmen, war er lieber ohne Veranlassung und um nichts schlecht und grausam.Vertrauend auf diese Freunde und Bundesgenossen, faßte Catilina den Plan zur Rebellion, da seine Schulden in allen Ecken der Welt ungeheuer waren und da die meisten der sullanischen Soldaten, die über ihre Verhältnisse gelebt hatten, in Erinnerung an Raubzüge und den alten Sieg einen Bürgerkrieg sehnlich erwarteten. In Italien war kein Heer, Gnaeus Pompeius führte Krieg am Ende der Welt, er selbst hatte beim Anstreben des Konsulates große Hoffnung, der Senat verhielt sich völlig passiv: Sicher und ruhig war die ganze Situation (Sache), aber gerade dieses war Catilina gelegen.
Kapitel 17
Etwa Anfang Juni 64, im Konsulatsjahr von Lucius Cäsar und Gaius Figulus, sprach er zunächst einzelne Personen an; die einen forderte er zum Mitmachen auf, bei anderen fühlte er lediglich vor; er wies auf seine Möglichkeiten hin, auf die Tatsache, daß der Staat völlig unvorbereitet sei, und auf die großen Gewinne, die eine Rebellion erbringen könnten. Als er sein Vorhaben genügend durchdacht hatte, rief er alle, die in sehr großer Bedrängnis waren und die nötige Rücksichtslosigkeit besaßen, zu einem Treffpunkt. Da fanden sich ein aus dem Senatorenstand: Publius Lentulus Sura, Publius Autronius, Lucius Cassius Longinus, Gaius Cethegus, Publius und Servius Sulla, die Söhne des Servius, Lucius Vargunteius, Quintus Annius, Marcus Porcius Laeca, Lucius Bestia, Quintus Curius. Dann aus dem Ritterstande: Marcus Fulvius Nobilior, Lucius Statilius, Publius Gabinius Capito, Gaius Cornelius; dazu viele aus Kolonistensiedlungen und Landstädten, die zu Hause zur Oberschicht gehörten. Es waren außerdem einige Adelige mehr im Hintergrund beteiligt, welche eher erhoffte Machtstellungen zur Beteiligung antrieb als finanzielle Not oder sonst eine zwingende Notwendigkeit. Im übrigen stand ein sehr beachtlicher Teil der Jugend, vor allem aus adeligen Kreisen, Catilinas Plänen offen gegenüber: sie, welche die Möglichkeit hatten, ohne politisches Engagement ein aufwendiges und bequemes Leben zu führen, zogen Unsicherheit der Sicherheit, Krieg dem Frieden vor. Es gab damals auch Leute, die glaubten, daß Marcus Licinius Crassus über das Vorhaben wohl informiert war. Weil nämlich Gnaeus Pompeius, der sein persönlicher Gegner war, ein großes Heer kommandierte, habe es ganz in seinem Sinne gelegen, wenn die aufkommende Machtposition wessen auch immer ein Gegengewicht zu der unangefochtenen Stellung des Widersachers bildete; zugleich baute er dann darauf, daß er bei einem erfolgreichen Verlauf der Rebellion leicht bei den Verschwörern eine Spitzenposition einnehmen könne.
Kapitel 18
Übrigens hatte sich schon einmal eine Gruppe von einigen wenigen zusammengetan, um gegen den Staat zu rebellieren; zu ihnen gehörte auch Catilina. Darüber will ich möglichst objektiv berichten. Unter dem Konsulat des Lucius Tullus und Manlius Lepidus waren die für das kommende Jahr bestimmten Konsuln Publius Autronius und Publius Sulla wegen Wahlbetrugs belangt und bestraft worden. Wenig später war Catilina wegen Erpressung angeklagt und an der Bewerbung für das Konsulat dadurch gehindert worden, daß er sich innerhalb der gesetzlichen Frist nicht hatte melden können. Es gab zur gleichen Zeit einen gewissen Gnaeus Piso, einen jungen Mann aus dem Adel, dreist und skrupellos, ohne Mittel, parteilich fest gebunden; ihn trieben finanzielle Not und sein übler Charakter dazu, die Ordnung im Staat durcheinanderzubringen. Mit diesem sprachen sich etwa am 5. Dezember Catilina und Autronius ab und trafen dann Vorkehrungen, am 1. Januar die Konsuln Lucius Cotta und Lucius Torquatus auf dem Capitol zu ermorden, selbst die Macht an sich zu reißen und Piso mit einem Heere zu entsenden, um die beiden spanischen Provinzen in die Hände zu bekommen. Als dies bekannt wurde, verschoben sie den Mordplan auf den 5. Februar. Schon damals dachten sie daran, nicht nur die Konsuln, sondern auch die meisten der Senatoren zu beseitigen. Und wenn Catilina vor dem Rathaus seinen Genossen nicht voreilig das Zeichen zum Losschlagen gegeben hätte, wäre an diesem Tage der größte Terroranschlag seit der Gründung der Stadt ausgeführt worden. Nur der Umstand, daß noch nicht genügen Verschwörer in Waffen am Tatort erschienen waren, vereitelte den Plan.
Kapitel 19
Später wurde Piso als Quaestor mit den Amtsbefugnissen eines Praetors nach Nordspanien geschickt, und zwar auf die Initiative des Crassus hin, weil dieser wußte, daß er ein unerbittlicher Gegner des Pompeius war. Doch hatte der Senat Piso die Provinz recht bereitwillig abgegeben, weil es ihm darauf ankam, eine so zwielichtige Persönlichkeit aus dem engeren Bereich des Staates fernzuhalten, und auch deshalb, weil mehrere staatstreue Bürger in ihm eine Art Schutz gegen die damals äußerst besorgniserregende Machtstellung des Pompeius sahen. Doch wurde ebendieser Piso in der Provinz von spanischen Reitern, die im Heere seinem Befehl unterstanden, auf dem Marsche umgebracht. Einige sagen, sein ungerechtes, überhebliches und bis zur Grausamkeit gehendes herrisches Benehmen hätten die Barbaren nicht ertragen; andere jedoch behaupten, jene Reiter, alte und ergebene Gefolgsleute des Pompeius, hätten mit dessen Billigung Piso überfallen: noch niemals hätten Spanier so etwas gemacht, sondern schon früher des öfteren grausamen Machtmißbrauch ertragen. Wir lassen diese Sache auf sich beruhen. Die Information über die erste Verschwörung dürfte damit ausreichen.
Kapitel 20
Sowie Catilina sah, daß diese, welche ich vorher ein wenig erwähnt hatte, zusammengekommen waren, glaubte er, obgleich er mit einzelnen vieles oft verhandelt hatte, daß es zweckdienlich sei sie allgemein aufzufordern und anzufeuern, sonderte er sich ein einen entlegenen Teil des Gebäudes ab und hielt dort, nachdem alle Augenzeugen weit weg entfernt worden waren, eine Rede folgender Art : Wenn nicht eure Tapferkeit und Treue mir bewährt wären, wäre vergeblich eine solche Gelegenheit gekommen; eine große Hoffnung, die mit den Händen greifbare Macht wäre vergeblich gewesen, ich würde nicht mit Feiglingen und Abenteurern nach etwas Ungewissem anstatt etwas Sicherem greifen. Aber weil ich euch in vielen und großen, stürmischen Zeiten als mutig und mir treu erkannt habe, wagte mein Herz es (~ brachte ich es übers Herz), die schönste und größte Tat zu beginnen, zugleich ich bemerkt habe, daß für euch ebenso wie für mich dasselbe gutes und schlechtes ist; denn dasselbe wollen und dasselbe nicht wollen, das erst ist eine starke Freundschaft. Aber was ich mir gedacht habe, habt ihr alle schon vorher getrennt gehört. Im übrigen erregt sich mein Herz von Tag zu Tag mehr, wenn ich erwäge, wie wir leben werden, wenn wir uns selbst befreien. Denn nachdem der Staat unter das Gesetz und die Gewalt einiger Mächtigen gefallen ist, sind Könige und Fürsten diesen abgabenpflichtig, ihnen zahlen Völker und ganze Nationen Steuern; wir übrigen alle, entschlossene, tüchtige, adlige und nicht adlige, wir sind die Masse gewesen, ohne Ansehen, ohne Autorität, denen ausgeliefert, denen wir, wenn der Staat noch vorhanden wäre, ein Schrecken wären. So ist alles an Ansehen, Macht, Ehre und Reichtum bei jenen oder wo jene es wollen; uns ließen sie Gefahr, Zurücksetzung, Gerichtsprozesse und Elend. Wie lange noch wollt ihr das erdulden, o sehr tapfere Männer? Ist es nicht besser zu sterben durch Tapferkeit, als ein armseliges und unehrenhaftes Leben, wo du ein Spielzeug des Hochmuts anderer geworden bist, durch Schande zu verlieren. Ja wahrhaftig, wenn die Götter zu uns halten, ist der Sieg in unserer Hand, stark ist unser Alter und gesund ist unser Geist; bei jenen hingegen ist durch die Jahre und den Reichtum alles altgeworden. Man muß das Werk nur beginnen, das übrige wird sich von selbst erledigen. Denn wer unter den Menschen, der von männlichem Charakter ist, kann es ertragen, daß jene Reichtum im Überfluß haben, welche sie verschwenden um das Meer auszufüllen und Berge einzuebnen, uns aber sogar das Vermögen für das Nötigste fehlt? Daß diese zwei oder mehr Häuser aneinanderreihen, wir nirgends auch nur einen eigenen Herd haben? Wenn sie Gemälde, Statuen und fein ausgeführte Metallgefäße kaufen, Neues einreißen, anderes bauen, schließlich auf alle Weise mit ihrem Geld wüsten, es verschleudern, können sie dennoch, auch bei Befriedung aller Gelüste, ihrem Reichtum besiegen. Bei uns zu Hause ist Mangel, draußen Schulden, schlecht ist die Sache, die Hoffnungen sind noch rauher (~ schlechter): Kurz, was haben wir noch übrig außer unseren elenden Leben? Warum erwacht ihr also nicht? Seht jene, jene, welche ihr euch oft gewünscht habt, die Freiheit, außerdem Reichtum, Ehre, Ruhm, sie liegt direkt vor euren Augen; das Schicksal hat alles dem Sieger als Prämie gesetzt. Die Sache, die Zeit, die Gefahr, der Mangel, die großartige Beute des Krieges ermutigen euch mehr als meine Rede. Entweder als Imperator oder als Soldat benutzt mich (~ braucht ihr mich): Weder mein Geist noch mein Körper wird von euch fortgehen. Eben dies, so hoffe ich, werde ich mit euch als Konsul betreiben, wenn nicht zufällig mein Geist (sich) täuscht und ihr lieber zu dienen als zu befehlen bereit seid.
Kapitel 21
1Nachdem das die Menschen gehört hatten, die Not und Elend im Überfluß hatten, aber bei welchen weder die jetzige noch die künftige Lage gut aussah (~ in einem guten Zustand war), forderten doch die meisten, obgleich es von ihnen als ein großer Gewinn gesehen wurde, sich in Bewegung gesetzt zu haben, daß er bekannt gebe, welches die Bedingungen des Krieges seien, welche Belohnung sie mit Waffen bekommen könnten, was sie an Hilfe [opis entspr. Taten] oder Hoffnung besäßen. 2Da versprach Catilina Schuldentilgung, den Reichen Ächtung, Posten, Priesterämter, Beute und alles andere, was Krieg und Freizügigkeit der Sieger mit sich bringt;
3außerdem seinen im entfernten Spanien Piso, in Mauretanien mit einem Heer Publius Sittius aus Nuceria, die an seinem Vorhaben teilnehmen; Gaius Antonius strebe nach der Konsulatswürde, wessen Amtsgenossen er zu werden hoffte, dieser Mensch und seine Familie wird durch alle Nöte bedrängt; mit diesem hoffe er als Konsul den Anfang der Handlung zu tun. 4Außerdem ließ er Beleidigungen gegen alle guten Bürger los, von den Seinen lobte er jeden, indem er seinen Namen nannte: Er erinnerte den einen an seine persönlichen Interessen, den anderen an Gefahr oder Schande, viele erinnerte er an den Sieg Sullas, denen dieser Beute gebrachthatte. 5Nachdem er sah, daß alle Gemüter begeistert waren, ermahnte er sie, daß sie sich für seiner Bewerbung einsetzen mögen und entließ die Versammlung.
Kapitel 22
1Es gab zu dieser Zeit welche, die sagten, Catilina habe nach der Rede, als er die Bundesgenossen seines Verbrechens zu einem Eid verpflichtete, Menschenblut mit Wein vermischt in Opferschalen umhergereicht. 2Danach, als alle nach der Verfluchung davon gekostet hatten, wie es bei feierlichen Opferhandlungen zu geschehen pflegte, da habe er seinen Plan dargelegt; er habe das deshalb so gemacht, damit sie untereinander mehr Treue bewahrten, da der eine der Schandtaten eines anderen wissend war. 3Manche meinten, daß vieles von diesem erfunden sei, von denen, die glaubten, der Neid auf Cicero, welcher sich später erhoben hatte, werde gemildert durch die Gräßlichkeit des Verbrechens derjenigen, die bestraft worden waren. 4Für und ist diese Sache in ihrer Bedeutung zu wenig bewiesen.
Kapitel 23
1Aber in dieser Verschwörung war Quintus Curius, ein Mann, der nicht in diesen Kreisen geboren, aber mit Schandtaten und Verbrechen belastet war; ihn stießen die Zensoren wegen seinem unsittlichen Verhalten aus dem Senat. 2In diesem Menschen war nicht weniger Leichtfertigkeit als Verwegenheit: er machte sich nichts daraus, etwas zu verschweigen, daß er gehört hatte, noch seine eigenen Verbrechen zu verheimlichen, kurz: es war ihm gleichgültig, was er tat oder sagte. 3Er hatte mit Fulvia, einer adligen Frau, seit langem ein Verhältnis gegen Sitte und Anstand. Dieser war bei ihr von geringem Ansehen, da er wegen seiner Armut er ihren Ansprüchen nicht recht nachkommen konnte, überraschend begann er großsprecherisch Meere und Berge zu versprechen und manchmal droht er mit dem Schwert, verfiel in Raserei, wenn sie ihm nicht zu Willen war, schließlich verhielt er sich wilder, als er es sonst war. 4Nachdem Fulvia den Grund für das ungewöhnliche Verhalten von Curius herausgefunden hatte, hielt sie diese so große Gefahr für den Staat nicht verborgen, sondern erzählte ohne Namensnennung von der Verschwörung Catilinas, was sie irgendwie gehört hatte. 5Dieser Umstand verstärkte zuerst die Neigung der Menschen das Konsulatsmandat Marcus Tulius Cicero zu geben. 6Denn vorher glühte der größte Teil des Adels vor Neid und sie glaubten das Konsulat würde gleiches erleiden, wenn es dieser neue Mann, so stark und aufrichtig er auch sein mochte, erhalte. Aber als die Gefahr kam, da standen Neid und Hochmut hintenan.
Kapitel 24
1So wurden Marcus Tullius und Gaius Antonius (am Wahltag) zum Konsul ausgerufen; diese Tatsache hatte zuerst die Bürger der Verschwörung erschüttert. 2Dennoch wurde Catilinas Raserei (~ unkontrollierte politische Aktivität) nicht verhindert, sondern er entwickelte täglich eine noch regere Tätigkeit: er bereitete in ganz Italien an geeigneten Orten Waffen vor, aus seinem oder seiner Freunde Kredit genommenes Geld brachte er zu einem gewissen Faesula zu einem gewissen Manlius, der später zuerst den Krieg begann. 3Zu dieser Zeit soll er viele Menschen verschiedener Geschlechter an sich gezogen haben, sogar recht viele Frauen, die den großen Aufwand anfangs durch Preisgabe ihres Körpers bestritten hatten, später, als ihr Alter ihrem Erwerb, nicht aber ihrer Verschwendung eine Grenze setzte, hatte sie große Schulden zusammengetragen. 4Durch diese glaubte Catilina die Sklaven der Hauptstadt aufwiegeln, die Stadt anzünden und ihre Männer an sich heranziehen oder töten zu können.
Kapitel 25
1Aber unter diesen war Sempronia, die oft viele Untaten mit männlicher Kühnheit begangen hatte. 2Dieser Frau lebte in Herkunft und Schönheit, weiterhin in Mann und Kindern in gesunden Verhältnissen; sie war in griechischer und lateinischer Literatur bewandert, sang zur Laute und tanzte aufreizender, als es nötig gewesen wäre, sie besaß vieles, was Hilfsmittel des Wohlhabens sind. 3Ihr aber war immer alles wichtiger als Ehrbarkeit und Sauberkeit (~Keuschheit); ob sie ihren Ruf oder ihr Vermögen weniger schonte, hätte man nicht leicht entscheiden können; ihre Freizügigkeit (~ Sinnlichkeit) war so überragend, daß sie häufiger zu den Männern strebte, als daß sie aufgesucht wurde. 4Aber sie hatte zu oft vorher ihr Wort gebrochen, Schulden abgeleugnet, von Mord gewußt: sie war durch Verschwendung und Mittellosigkeit tief gesunken. 5Tatsächlich hatte sie eine überdurchschnittliche Intelligenz: sie konnte Verse machen, durch Scherze (innerlich) bewegen, sich mal zurückhaltend, mal gefühlvoll, mal anzüglich unterhalten; kurz: sie hatte viel Witz und Anmut.
Kapitel 26
1Diese Vorbereitungen nicht achtend erstrebte Catilina im nächsten Jahr das Konsulat, in der Hoffnung, wenn er ernannt werden würde, werde er Antonius leicht nach seinen Vorstellungen leiten (~ benutzen). Aber auch zwischendurch war er nicht untätig, sondern er stellte Cicero auf jede Weise Fallen. 2Aber auch diesem felhte nicht die List oder Schlauheit, um sich vor diesem zu hüten. 3Denn am Anfang seines Konsulats hatte er mit vielen Versprechungen und der Hilfe Fulvias erreicht, daß Quintus Curius, den ich vorher wenig erwähnt habe, die Beschlüsse Catilinas verriet; 4zudem hatte er seinen Kollegen Antonius durch Abmachungen im Bereich der Provinzen dazu gebracht, daß dieser keine staatsfeindliche Meinung vertritt; um sich hatte er einen verborgenen Schutz aus Freunden und Abhängigen. 5Nachdem der Wahltag gekommen war und weder Catilinas Bewerbung noch die Fallen, die er den Konsuln auf dem Feld gestellt hatte, mit dem erwünschten Erfolg verlaufen waren, beschloß er Krieg anzufangen und alles auf eine Karte zu setzen, zudem das, was er heimlich versucht hatte, schmählich und ohne Erfolg ausgegangen war.
Kapitel 27
1So schickte er Gaius Manlius nach Faesula und in einen ensprechenden (~ gewissen) Teil Etruriens, einen gewissen Septimus Camertus ins Picenerland, Gaius Julius nach Apulien, außerdem schickte er andere zu anderen Orten, wo er glaubte, daß sie ihm bei einer Gelegenheit (~ an der jeweiligen Stelle) nützlich seien. 2Inzwischen unternahm er in Rom vieles gleichzeitig: er machte Anschläge auf die Konsuln, bereitete Brände vor, besetzte geeignete Orte mit bewaffneten Menschen; er selbst ist bewaffnet und befahl anderen es ebenso zu tun, er ermahnte sie, sich daran zu gewöhnen immer einsatzbereit zu sein; Tag und Nacht wacht er, ist er tätig und läßt sich weder durch Schlaflosigkeit noch durch Arbeit ermüden. 3Zuletzt, als vieles Handeln keinen Erfolg hatte, ruft er erneut durch Marcus Porcius Laeca die Führer der Verschwörung in tiefer Nacht zusammen, 4und alsdann er viele Klagen über ihre Energielosigkeit geführt, verkündete er, daß er Manlius zu der Menge vorausgeschickt habe, die er zum Ergreifen der Waffen vorbereitet hatte, ebenso andere an anderen günstigen Orten, die den Anfang des Krieges tun sollten, und daß er selbst zum Heer abreisen wolle, wenn er vorher Cicero überwältigt (~ unterdrückt) habe: der stand seine Plänen viel im Weg.
Kapitel 28
1Da versprach der römische Reiter Gaius Cornelius seine Hilfe, während die anderen erschrocken zögerten, und mit ihm der Senator Lucius Vargunteius , sie beschlossen in dieser Nacht wenig später mit bewaffneten Menschen, wie zum Grüßen, bei Cicero einzutreten und ihn überraschend und unvorbereitet in seinem eigenen Haus zu erstechen. 2Sobald Curius bemerkte, welche große Gefahr dem Konsul drohe (~ auf ihn herabhänge), läßt er eilends durch Fulvia Cicero die Falle, die vorbereitet wurden war, enthüllen. 3So wurde dieser schon an der Tür zurückgehalten (~ verboten), so daß er ein so großes Verbrechen (~ Tat) vergeblich auf sich genommen hatte. 4Inzwischen hetzt Manlius in Etrurien die Massen auf, die wegen materieller Not und Empörung über erlittenes Unrecht für eine Revolution zu haben waren (hatten die doch unter Sullas Gewaltherrschaft ihr ganzes Land und ihre Güter hergeben müssen), außerdem Desperados jeder Art, von denen es in diesem Gebiet eine groáe Menge gab, ferner einige aus Sullas Kolonien, denen eine aufwendige Lebensführung und übertriebener Luxus von der riesigen Kriegsbeute nichts übrig gelassen hatte.
Kapitel 29
1Auf diese Nachrichten hin geriet Cicero doppelt in Sorge, weil er einerseits die Stadt von sich aus nicht länger vor Anschlägen schützen konnte und andererseits keine genaueren Informationen hatte über die Stärke und Einsatzpläne der Heeresgruppe des Manlius; deshalb brachte er die Sache vor den Senat,nachdem schon vorher unter der breiten Masse erregt darüber diskutiert worden war. 2So faßte der Senat, wie es in Krisensituationen üblich ist, den Beschluß, "die Konsuln sollten sich darum kümmern, daß der Staat keinen Schaden nehme". 3Dieser Auftrag zu besonderen Machtbefugnissen ist der gewichtigste, der einem Beamten nach römischer Verfassung durch den Senat übertragen werden kann; er beinhaltet: ein Heer auszurüsten, Krieg zu führen, mit allen Mitteln Bundesgenossen und Bürger zu unbedingtem Gehorsam zu verpflichten, in der Heimat und an der Front die höchste richterliche und militärische Gewalt auszuüben; sonst hat ein Konsul ohne Auftrag des Volkes kein Recht zu solchen Notstandsmaßnahmen.
Kapitel 30
1Wenige Tage danach verlas der Senator Lucius Saenius im Senat einen Brief, der ihm nach seinen Worten aus Faesulae zugespielt worden war; darin stand, daß Gaius Manlius am 27. Oktober mit starken Verbänden den Kriegszustand eröffnet habe. 2Und wie es in derartigen Situationen meistens geschieht, berichteten die einen von unheilvollen Zeichen und Wundern, andere von auffallenden Gruppierungen und Waffentransporten, letztlich von einem zu erwartenden Sklavenaufstand in Capua und Apulien. 3Daher wurden auf Senatsbeschluß Quintus Marcius Rex nachFatsulae, 4QuintusMetellus Creticus (diese beiden standen als Heerführer noch vor der Stadt, weil sie durch die Schikane einiger weniger, die alles, Ehrenhaftes und Ehrenrühriges, mit Geld abmachten, an dem ihnen zustehenden Triumphzug gehindert wurden) nach Apulien und Umgebung geschickt, 5die Praetoren Quintus Pompeius Rufus und Quintus Metellus